Umsatzwachstum ohne Organisationsänderung
Am Beispiel eines Elektro-Unternehmens
Folgendes Szenario
Die Geschichte vom Elektro-Installateur kennen wir bereits. Doch was ist im Laufe der Jahre geschehen?
Herr K., der Elektroinstallateur, startete mit Ende zwanzig sein Unternehmen im eigenen Haus. Im Erdgeschoss war genug Platz für die Werkstätte und das Lager. Zusätzlich zum Privat-Pkw leistete er sich einen Firmenwagen, mit dem er das Material transportierte, um auf größeren und kleineren Baustellen zu arbeiten.
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Nach kurzer Zeit hatte er wie erwähnt so viele Aufträge, dass er sie alleine nicht mehr bewerkstelligen konnte. Er stellte einen Mitarbeiter ein. Dennoch kümmerte er sich weiterhin noch um möglichst vieles selbst, denn er war es gewohnt, alles selbst zu tun und schließlich trug er die Verantwortung und wusste bzw. weiß am besten, was seine Kunden brauchen. Eigentlich wäre er mit diesem ersten Arbeiter gezwungen gewesen, in eine neue Rolle – die Chef-Rolle – zu wechseln. Das hat ihm aber niemand gesagt. Sein Mitarbeiter wird ähnlich wie ein Freund bzw. wie ein sehr guter Kollege behandelt.
Die Arbeitsabläufe (Bestellung, Montage, Abrechnung usw.) belässt er wie gehabt. Es hat bisher gut funktioniert. Warum soll es nicht weiterhin so funktionieren?
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Mitarbeiter 1 ist erfahren und weiß auch ohne schriftliche Aufzeichnungen und detaillierte Planungen vom Chef, was rund um die Elektroinstallation in einem neu gebauten Einfamilienhaus zu tun ist. Wenn er eine Frage hat, kann er den Chef jederzeit per Handy fragen. Das geht schneller, als zeitfressende Besprechungen abzuhalten.
Nachdem Herr K. sich um alles kümmert, verlässt sich Mitarbeiter 1 darauf, dass alles für ihn organisiert wird, so z.B. auch darauf, dass immer genug Material im Lager ist. Der Einkauf ist ja nach wie vor Chefsache.
Nach einiger Zeit kommt ein weiterer Elektriker dazu, dann ein Schwachstromtechniker, ein Spezialist für Alarmanlagen, einer für Kabel- und Fernsehtechnik usw.
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Je mehr Arbeiter und Angestellte hinzukommen, desto schwieriger wird es zwar, alles miteinander zu koordinieren und jeweils das notwendige Wissen weiterzugeben. Aber es gibt ja kein anderes Arbeitsmodell dafür und es ist zudem allen klar: Wenn die Aufträge mehr werden, muss man auch mehr arbeiten.
Der Zeitaufwand aller Beteiligten steigt daher mit dem Umsatz oder sogar schneller als dieser. Mittlerweile arbeitet der Chef 80 Stunden die Woche und es geht sich zeitlich immer noch nicht alles aus.
Aufträge lassen sich zwar immer noch mündlich erteilen, doch wird der Aufwand zunehmend höher, weil beispielsweise Arbeiter A zwar bei der Erstbesprechung dabei ist, Arbeiter B und C jedoch nicht. So gehen, weil A sich nicht alles merkt oder nicht alles weitergibt, für Arbeiter B und C wichtige Informationen verloren. Das zeigt sich anhand von fehlendem Material, Werkzeug oder Plänen und Änderungswünschen auf der Baustelle, weil zwar B dafür zuständig war, aber dachte, dass A das selbst erledigt hätte. Die Umsätze steigen zwar weiter, die Gewinne jedoch nicht.
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Was folgt für den Chef daraus: Wir müssen eben mehr und härter arbeiten, dann wird der Gewinn schon wieder passen!
Ohne schriftliche Aufzeichnungen fehlt aber der Überblick über die Projekte, den genauen Materialverbrauch, die exakten Kundenwünsche, die Abrechnung, die Zahl der Arbeitsstunden aller Arbeiter und Angestellten und mehr. Die Lagerbestände sind nicht in den Köpfen der einzelnen Personen verankert bzw. kommt das Wissen nicht in vollem Umfang dorthin, wo es benötigt wird: in die Buchhaltung zur Rechnungserstellung.
Auch im Lager fehlt immer öfter Material. Der Lagerarbeiter will dem entgegenwirken und weiß außerdem, wann ein Lieferant, bei dem sie üblicherweise bestellen, die Ware gerade zu einem wesentlich günstigeren Preis verkauft. Also bestellt er kostenbewusst und in vorauseilendem Gehorsam gleich mehr als üblich, denn so billig bekommt er die Kabelschläuche in diesem Jahr wahrscheinlich nicht mehr. Damit ist das Lager immer voll oder muss sogar vergrößert werden und alle können sich jederzeit bedienen bzw. etwas entnehmen.
Gebot der ersten Stunde?
Eigentlich wäre es jetzt dringend geboten, dass sich der Elektroinstallationsmeister, dessen Betrieb im Wachsen ist, darüber Gedanken macht, wie er seinen Betrieb so führen kann, dass einerseits die innerbetrieblichen Abläufe weiterhin so gut funktionieren wie bisher und andererseits deutlich weniger Zeit für Besprechungen, Planungen usw. verbraucht wird. Denn immerhin gibt es bereits viele zufriedene Kunden, die weiterhin gute Betreuung und gute Arbeit für das zu bezahlte Geld bekommen wollen, aber es gibt auch zunehmend mehr Probleme, die Kunden berichten und darum muss er sich schließlich auch noch kümmern. Es ist immerhin sein Geschäft und sein Geld, das er verlieren könnte.
Keine Zeit für die wesentlichen Dinge
Weil täglich so viel auf ihn einstürmt, hat er keine Zeit, um darüber nachzudenken, wie er es ändern kann. Weil er es nicht ändern kann, stürmt täglich so viel auf ihn ein, dass er keine Zeit hat, darüber nachzudenken. Und weil er keine Zeit hat …
Der Fisch fängt am Kopf … oder: Woran liegt es tatsächlich?