Der tropfende Wasserhahn
oder: Der Wasserwahn?
Folgendes Szenario
Ein Wasserhahn tropft im Badezimmer. Sie rufen den Installateur an. Die Sekretärin hebt ab und folgender Dialog entsteht:
Sekretärin: „Unternehmen A. Installateur. Guten Tag. Wer spricht, bitte? Was kann ich für Sie tun?“
Kunde: „Hallo, hier spricht Christian S. Mein Wasserhahn tropft. Ich bräuchte jemanden, der vorbeikommt.“
…
1
Sekretärin: „Das ist ein Problem. Wir haben momentan viel zu tun. Der Chef ist gerade nicht da und die Monteure sind unterwegs. Aber ich werde sehen, was sich machen lässt. Können Sie um halb fünf Uhr nochmals anrufen?“
Kunde: „Das geht bei mir schlecht, weil ich da selber unterwegs bin.“
Sekretärin: „Das ist schlecht. Ich werde den Chef ersuchen, dass er sich bei Ihnen meldet. Können Sie mir Ihre Telefonnummer geben?“
Kunde: „Ja, gut. Meine Telefonnummer ist 01 / … .“
Sekretärin: „Danke. Ich denke, der Chef wird sich bald bei Ihnen melden. Auf Wiederhören.“
Kunde: „Danke. Eine Frage noch: Könnten Sie mir nicht gleich die Nummer vom Chef geben, damit ich ihn direkt anrufen kann?“
Sekretärin: „Ich glaube, er ist gerade bei einem Kunden, um ein Problem zu beheben. Ich weiß also nicht, ob er abhebt, aber Sie können es gerne bei ihm probieren. Seine Telefonnummer ist 0676 / … .“
Kunde: „Gut. Danke. Auf Wiederhören.“
Sekretärin: „Auf Wiederhören.“
2
Der Kunde, Herr Christian S., erreicht Herrn A. Installateur, der gerade irgendwo auf einer Baustelle im Gespräch mit einer Kundin unterwegs ist.
Kunde: „Guten Tag, Herr Installateur. Mein Wasserhahn tropft. Ich bräuchte jemanden, der vorbeikommt und sich das ansieht. Wann geht das denn?“
Chef: „Jetzt ist gerade ein ungünstiger Zeitpunkt, weil ich in einem Kundengespräch bin und den Terminkalender nicht dabeihabe. Aber ich werde einen Monteur informieren, der sich bei Ihnen meldet. Können Sie mir bitte Ihren Namen, Ihre Adresse und die Telefonnummer geben?“
Kunde: „Mein Name ist Christian S. Meine Adresse ist …, …. Meine Telefonnummer ist 0664 / 345 89 83. Noch eine Frage: Wie lange kann denn das dauern?“
Chef: „Das weiß ich auch noch nicht. Wie gesagt: Ich bin gerade auf der Baustelle und muss erst einen Monteur suchen, der bei Ihnen vorbeikommen kann. Wir melden uns zuverlässig bei Ihnen. Danke für die Anfrage. Auf Wiederhören.“
Kunde: „Danke. Auf Wiederhören.“
3
Einen Tag später. Der Kunde ruft abermals bei der Installationsfirma an.
Sekretärin: „Unternehmen A. Installateur. Guten Tag. Wer spricht, bitte? Was kann ich für Sie tun?“
Kunde: „Ich habe gestern schon mit Ihnen telefoniert und dann mit dem Chef. Bei mir tropft der Wasserhahn noch immer und er hat gesagt, dass sich ein Monteur bei mir melden wird. Das ist aber noch nicht geschehen.“
Sekretärin: „Sie haben Glück! Der Chef ist zufällig im Haus und ich kann Sie gleich mit ihm verbinden.“
Kunde: „Gut, danke.“
4
Die Sekretärin verbindet den Kunden zum Chef.
Chef: „Hallo?“
Kunde: „Guten Tag, Herr Installateur. Hier Christian S. Ich habe gestern schon mit Ihnen telefoniert. Bei mir tropft der Wasserhahn noch immer. Wann kann denn jetzt ein Monteur von Ihnen vorbeikommen?“
Chef: „Bei uns geht es momentan wirklich drunter und drüber, weil wir so viele Baustellen gleichzeitig haben. Aber am Freitagnachmittag kann ich Ihnen sicher noch einen Monteur vorbeischicken, der sich Ihren Wasserhahn ansieht.“
Kunde: „Gut. Freitagnachmittag passt bei mir. Da bin ich ohnehin schon von der Arbeit zu Hause.“
Chef: „Sehr fein. Ich weiß zwar noch nicht, wer vorbeikommt, aber der Monteur wird Sie vorher noch anrufen.“
Kunde: „Gut, passt, dann bis Freitag.“
Chef: „Auf Wiederhören. Bis Freitag.“
5
Der Chef ruft seinen Installateurmeister an, der gerade an einem größeren Wohnbauprojekt mit 20 Wohnungen arbeitet und erklärt ihm die Situation.
Chef: „Hallo, Florian, ich habe einen Auftrag für dich: Am Freitagnachmittag musst du dir noch den tropfenden Wasserhahn von Herrn Christian S. anschauen. Ich gebe dir schnell mal seine Telefonnummer: 0664 / 345 89 8. Bitte, rufe ihn an und mach dir mit ihm alles Weitere aus.“
Florian: „OK, passt. Ich werde ihn anrufen.“
Die beiden verabschieden sich und beenden das Telefonat. Florian wählt die Telefonnummer, um mit dem Kunden den Ort und Zeitpunkt zu vereinbaren. Dabei stellt er fest, dass die Telefonnummer nicht stimmt. Also ruft er nochmals den Chef an, um ihm mitzuteilen, dass die Telefonnummer nicht stimmt. Der Chef ruft die Sekretärin an und fragt sie um die richtige Telefonnummer. Diese sucht sich, nachdem Sie den Namen beim Chef erfragt, die Telefonnummer über das Internet heraus. Sie ruft den Chef zurück und anschließend ruft dieser nochmals den Monteur an und korrigiert die Telefonnummer, bei der er selbst nur vergessen hatte, die letzte Ziffer anzusagen.
Nachdem der Monteur die richtige Telefonnummer hat, meldet er sich beim möglichen Kunden und vereinbart mit diesem, dass er am Freitagnachmittag gegen halb drei Uhr vorbeikommen werde, um sich den Wasserhahn anzusehen.
6
Freitag Nachmittag. Der Monteur ist um halb vier beim Kunden. Begrüßung. Der Monteur entschuldigt sich für sein Zuspätkommen. Die beiden stehen beim tropfenden Wasserhahn und der Monteur sieht sich die Sache an.
Monteur: „Das mit dem Wasserhahn ist eigentlich eine Kleinigkeit. Da braucht man nur die Dichtung auswechseln. Das ist in fünf Minuten erledigt. Ich gehe schnell zum Auto und schau’ nach, ob ich eine passende Dichtung dabeihabe.“
Der Monteur sieht nach und muss leider feststellen, dass er die letzte für dieses Problem passende Dichtung schon vor längerer Zeit eingebaut hat.
Monteur: „Jetzt habe ich leider keine passende Dichtung dabei. Es ist schon Freitagnachmittag und da kann ich nicht mehr ins Lager, weil in der Firma am Freitag um halb ein Uhr Dienstschluss ist. Aber ich kann am Montag in der Früh rasch vorbeikommen und die Dichtung montieren.“
Kunde: „Da bin aber ich leider nicht da, weil ich in der Arbeit bin. Geht es am Abend auch?“
Monteur: „Ich werde schauen, ob ich bei unserem Projekt etwas früher aufhören kann. Dann fahre ich noch einmal zu Ihnen und montiere die Dichtung. Allerdings muss ich dafür davor noch einmal in die Firma, weil wir auf unserer jetzigen Baustelle bereits um sechs Uhr beginnen. Da ist im Lager noch niemand da. Außerdem fahren wir gleich von zu Hause aus direkt zur Baustelle. Aber wir werden das schon schaffen!“
Kunde: „Aber dann tropft der Wasserhahn noch das ganze Wochenende!“
Installateur: „Tut mir leid, aber da kann ich jetzt leider nichts machen.“
7
Die beiden verabschieden sich und der Monteur fährt nach Hause.
Am Montag ruft Herr S. in der Firma an und teilt dem Sekretariat mit, dass er sich die Dichtung am Samstag im Baumarkt selbst besorgt hat und dass der Monteur nicht mehr kommen braucht.
Was läuft hier alles der Reihe nach falsch?
- Die Sekretärin hat offensichtlich keine Vorlage für die Gesprächserfassung. Sie fragt nicht gleich zu Beginn den genauen Namen, die Adresse, Telefonnummer und E-Mail des potenziellen Kunden ab.
- Sie erklärt dem Kunden: „Das ist ein Problem.“
- Die Sekretärin ersucht den Kunden nochmals anzurufen, anstatt selbst intern alles zu klären und dann den Kunden zurückzurufen.
- Sie gibt dem Kunden die Telefonnummer des Chefs, obwohl dieser auf einer Baustelle ist, keinen Terminkalender seiner Mitarbeiter mithat und außerdem gerade mit dem Kopf woanders ist. Daher vergisst dieser auch das Telefonat und der Kunde muss nochmals anrufen.
- Der Chef hat weder eine Checkliste, nach der er den Kunden bestimmte Dinge abfragt, noch macht er schriftlich genaue Notizen.
- Der Chef erklärt dem Kunden, dass der Zeitpunkt jetzt gerade ungünstig sei. Das heißt indirekt so viel wie: „Sie stören mich gerade bei der Arbeit!“
- Der Chef erklärt dem Kunden, dass er keine Ahnung habe, wie lange es dauern kann, bis ein Monteur vorbeikommt. Und erklärt dem Kunden zum Überfluss auch noch, dass er zuerst einen Monteur suchen müsse, was de facto so viel heißt wie: Er weiß nicht, wo seine Monteure derzeit sind.
- Dann vergisst der Chef, weil er ja viel zu tun hat, auf den Rückruf, worauf der Kunde nochmals anrufen muss.
- Der Chef kümmert sich dann persönlich darum, dass ein Monteur, der gerade auf einer anderen Baustelle arbeitet und den Kopf eigentlich ebenfalls woanders hat, per Telefon einen Auftrag von ihm erhält.
- Er gibt dem Installateur, weil er beim Kunden in der Eile nicht gut aufgepasst oder schlecht mitgeschrieben hat, die falsche Telefonnummer.
Zwangsläufiges Ergebnis
Am Montag ist das Problem vom Kunden bereits selbst gelöst worden! Viel Aufwand, kein Ertrag und eine verärgerte Kundschaft.